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Nachhaltige Beschaffung

Nachhaltige Beschaffung – Definition und Bedeutung im Vergabewesen

Was ist nachhaltige Beschaffung?

Nachhaltige Beschaffung bezeichnet einen strategischen Ansatz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, bei dem neben wirtschaftlichen Aspekten auch ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt werden. Das Konzept basiert auf dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit und zielt darauf ab, durch bewusste Einkaufsentscheidungen positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu erzielen, ohne die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen.

Gesetzliche Grundlagen der nachhaltigen Beschaffung

Die nachhaltige Beschaffung ist im deutschen Vergaberecht verankert. Wesentliche Grundlagen bilden:

  • Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), besonders § 97 Abs. 3
  • Die Vergabeverordnung (VgV), insbesondere §§ 31, 58, 59 und 67
  • Die EU-Vergaberichtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU
  • Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
  • Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG)

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen es öffentlichen Auftraggebern, Nachhaltigkeitskriterien in verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens zu integrieren.

Die drei Dimensionen der nachhaltigen Beschaffung

Ökologische Nachhaltigkeit

Diese Dimension umfasst Aspekte wie:

  • Reduktion von CO2-Emissionen und Energieverbrauch
  • Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung umweltschädlicher Stoffe
  • Nutzung erneuerbarer Energien
  • Lebenszyklusbetrachtung von Produkten

Soziale Nachhaltigkeit

Hierzu zählen:

  • Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards
  • Faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung
  • Gleichstellung und Diskriminierungsfreiheit
  • Barrierefreiheit und Zugänglichkeit
  • Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen

Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Diese beinhaltet:

  • Lebenszykluskosten statt reiner Anschaffungskosten
  • Langlebigkeit und Reparierbarkeit
  • Innovationsförderung
  • Regionale Wertschöpfung
  • Kosteneffizienz im Betrieb

Integration von Nachhaltigkeitskriterien im Vergabeverfahren

Als Bieter sollten Sie wissen, dass Nachhaltigkeitskriterien an verschiedenen Stellen im Vergabeverfahren berücksichtigt werden können:

In der Leistungsbeschreibung

Hier können konkrete Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen definiert werden, wie Energieeffizienzklassen, Recyclinganteil oder spezifische Umweltzertifikate.

Bei den Eignungskriterien

Auftraggeber können beispielsweise Umweltmanagementsysteme (ISO 14001, EMAS) oder soziale Managementsysteme als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit fordern.

Bei den Zuschlagskriterien

Neben dem Preis können Umwelteigenschaften, soziale Kriterien oder Lebenszykluskosten als Bewertungskriterien herangezogen werden.

Bei den Ausführungsbedingungen

Diese können z.B. die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards während der Vertragslaufzeit verbindlich festlegen.

Nachhaltigkeitsnachweise und Zertifikate

Bieter können ihre Nachhaltigkeitsleistungen durch verschiedene Nachweise dokumentieren:

  • Umweltzeichen (Blauer Engel, EU-Ecolabel, Nordic Swan)
  • Energieeffizienzlabel
  • Zertifikate für nachhaltige Forstwirtschaft (FSC, PEFC)
  • Sozialstandards (SA8000, Fairtrade)
  • Umweltmanagementsysteme (ISO 14001, EMAS)
  • Produktspezifische Umweltdeklarationen (EPD)
  • CSR-Berichte nach GRI-Standard

Chancen der nachhaltigen Beschaffung für Bieter

Die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Beschaffung bietet Bietern vielfältige Chancen:

  1. Wettbewerbsvorteil: Unternehmen mit nachweisbar nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen können sich von Mitbewerbern abheben.
  2. Neue Geschäftsfelder: Die Nachfrage nach innovativen, nachhaltigen Lösungen eröffnet neue Marktpotenziale.
  3. Imageverbesserung: Die Beteiligung an nachhaltigen Ausschreibungen kann das Unternehmensimage stärken.
  4. Innovationsförderung: Nachhaltigkeitsanforderungen können als Treiber für Produktinnovationen dienen.
  5. Langfristige Kundenbeziehungen: Nachhaltige Produkte mit langer Lebensdauer fördern langfristige Geschäftsbeziehungen.

Herausforderungen für Bieter bei nachhaltigen Ausschreibungen

Die Teilnahme an nachhaltigen Ausschreibungen kann für Bieter auch Herausforderungen mit sich bringen:

  1. Dokumentationsaufwand: Der Nachweis von Nachhaltigkeitskriterien erfordert oft umfangreiche Dokumentation.
  2. Zertifizierungskosten: Die Erlangung von Umwelt- oder Sozialzertifikaten kann mit erheblichen Kosten verbunden sein.
  3. Komplexität der Anforderungen: Nachhaltigkeitskriterien können komplex und schwer zu interpretieren sein.
  4. Höhere Anschaffungskosten: Nachhaltige Produkte können in der Anschaffung teurer sein, was bei reinen Preisvergleichen nachteilig sein kann.

Praxistipps für Bieter bei nachhaltigen Ausschreibungen

  1. Frühzeitige Vorbereitung: Informieren Sie sich über gängige Nachhaltigkeitskriterien in Ihrer Branche und bereiten Sie entsprechende Nachweise vor.
  2. Gesamtkosten hervorheben: Betonen Sie die Lebenszykluskosten Ihrer Produkte, wenn diese trotz höherer Anschaffungskosten langfristig wirtschaftlicher sind.
  3. Transparente Kommunikation: Kommunizieren Sie Ihre Nachhaltigkeitsleistungen klar und präzise in den Angebotsunterlagen.
  4. Zertifizierungen erwerben: Investieren Sie in relevante Umwelt- und Sozialzertifizierungen, die Ihre Kompetenz belegen.
  5. Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln: Etablieren Sie eine unternehmensinterne Nachhaltigkeitsstrategie, die alle Aspekte Ihrer Geschäftstätigkeit umfasst.

Ausblick: Trends der nachhaltigen Beschaffung

Die nachhaltige Beschaffung gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird durch verschiedene Trends geprägt:

  1. Klimaneutralität: Die Anforderungen bezüglich CO2-Neutralität werden weiter zunehmen.
  2. Digitalisierung: Digitale Lösungen zur Erfassung und Bewertung von Nachhaltigkeitsdaten werden wichtiger.
  3. Kreislaufwirtschaft: Konzepte wie Circular Economy, Recycling und Wiederverwendung gewinnen an Bedeutung.
  4. Lieferkettenverantwortung: Die Nachverfolgbarkeit und Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette wird verstärkt gefordert.
  5. Harmonisierung der Kriterien: Eine zunehmende Standardisierung von Nachhaltigkeitskriterien ist zu erwarten.

Für Bieter wird es daher immer wichtiger, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie zu etablieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Marktchancen zu nutzen.